ROI vs. COI - Warum Value Selling beides braucht
Daniel Spirig – Scalerise AG
Im B2B-Vertrieb hat sich der Return on Investment (ROI) als fester Bestandteil der Argumentation etabliert. Potenzielle Kunden sollen verstehen, welchen finanziellen Nutzen eine Investition bringt, ob durch Effizienzsteigerung, Umsatzwachstum oder Kostenersparnis. Doch ein oft unterschätzter, aber äußerst wirksamer Hebel im Value Selling ist der Cost of Inactivity (COI) – also die Kosten, die durch Nichtstun entstehen.
Was ist der ROI?
Der ROI misst den finanziellen Ertrag im Verhältnis zu den getätigten Investitionen. Im B2B-Umfeld lautet die zentrale Frage: „Was bringt es mir, wenn ich investiere?“ – ein klassischer Anreizmechanismus, der rational klingt und für viele Entscheider relevant ist. Value Selling nutzt den ROI, um greifbaren Mehrwert in Zahlen zu gießen und Investitionen damit zu rechtfertigen.
Beispiel: Ein Softwareanbieter einer Automatisierungslösungen zeigt, wie seine Software im 1. Jahr Personalkosten von CHF 120.000 einspart – bei Investitionskosten von CHF 60.000. ROI: 100 %.
Was ist der COI?
Dem gegenüber steht der COI, der fragt: „Was verliere ich, wenn ich nichts tue?“ Hier geht es nicht um Potenziale, sondern um reale oder schleichende Verluste durch Verzögerung, Ineffizienzen oder verpasste Chancen. Der COI macht deutlich: Abwarten ist nicht neutral – es kostet Geld, Marktanteile, Mitarbeiterbindung oder Innovationskraft.
Beispiel: Werden Investitionen in eine innovative Security-Lösung nicht umgesetzt, steigen die Wartungskosten um jährlich um 12% oder CHF 300'000 – bei Kosten von CHF 150'000 für die neue Lösung ist die Investition nach 1/2 Jahr amortisiert.
Psychologie der Entscheidung – Verlustaversion
Warum ist der COI besonders wirkungsvoll? Die Antwort liefert die Prospekt-Theorie von Daniel Kahneman und Amos Tversky. Ihre Forschung zeigt: Menschen empfinden den Schmerz eines Verlustes etwa doppelt so stark wie die Freude über einen gleich hohen Gewinn.
Oder einfach gesagt: Es ist psychologisch wirksamer, einem Entscheider aufzuzeigen, dass er 10 Dollar verliert, wenn er nichts tut, als dass er 10 Dollar gewinnt, wenn er investiert.
Diese sogenannte Verlustaversion ist tief im Entscheidungsverhalten verankert, auch im Business-Kontext. Entscheidungen werden nicht rein rational getroffen. Risiken werden überbewertet, Sicherheit wird bevorzugt. Genau hier greift der COI: Er macht den Status quo plötzlich riskant.
Kurzübersicht ROI vs. COI
Darstellung Scalerise AG
Fazit - Die Kombination aus ROI und COI erzeugt die grösste Wirkung
Im modernen Value Selling sollten ROI und COI nicht als Gegensätze, sondern als komplementäre Werkzeuge betrachtet werden. Während der ROI rational überzeugt, entfaltet der COI seine Wirkung über den Handlungsdruck. Eine starke Value Proposition kombiniert beide Ansätze, sachliche Argumentation und Dringlichkeit. Dabei ist eine sorgfältige und gezielte Formulierung entscheidend, da viele Nutzenargumente sowohl als ROI- als auch als COI-Perspektive interpretiert werden können. Denn am Ende kaufen Unternehmen nicht nur Hoffnung auf Erfolg, sie investieren oft, um Verluste zu vermeiden.